Über GRADE

Die Qualität der Evidenz und die Stärke der Empfehlung bewerten

Urteile über die Qualität von Evidenz und die Stärke von Empfehlungen im Gesundheitswesen sind komplex. So müssen diejenigen, die Empfehlungen abgeben sich entscheiden, welche Endpunkte für diese Empfehlung wichtig sind, welche Evidenz für jeden dieser Endpunkte betrachtet werden soll, wie die Qualität dieser Evidenz bewertet werden kann und ob sich hieraus ableiten lässt, dass eine Intervention mehr nutzt als dass sie schadet. Aufgrund begrenzter Ressourcen im Gesundheitssystem können finanzielle Mittel, die zur Behandlung einer Erkrankung eingesetzt werden, nicht für andere Interventionen aufgewendet werden; es muss also gfs. auch beurteilt werden, ob der Nutzen für die Gesundheit die zusätzlichen Kosten rechtfertigt.
Systematische Reviews über Effekte von Interventionen bieten essenzielle, aber nicht ausreichende Informationen für informierte Entscheidungen. Review-Autoren und auch Nutzer von systematischen Reviews bewerten implizit, und gfs. auch explizit die Qualität der Evidenz. Diese Urteile beeinflussen nachfolgende Entscheidungen. So sieht das klinische Vorgehen wahrscheinlich unterschiedlich aus, wenn man zu der Einschätzung gelangt, dass die Evidenz, dass Warfarin das Risiko für Schlaganfälle bei Menschen mit Vorhofflimmern senkt, vertrauenswürdig (hohe Qualität) oder dass sie nur wenig vertrauenswürdig ist (niedrige Qualität).
Genauso unterliegen auch Handlungsempfehlungen impliziten und gfs. expliziten Einschätzungen bezüglich der Stärke der Empfehlung. Am gleichen Beispiel bedeutet dies: eine Empfehlung, die eine Behandlung bei Patienten mit Vorhofflimmern empfiehlt, kann bedeuten, dass alle Patienten definitiv oder aber nur gfs. behandelt werden sollten. Letzteres impliziert, dass die Behandlung nicht bei allen Patienten gerechtfertigt ist. Solche Urteile systematisch und explizit zu fällen, kann helfen, Fehler zu vermeiden, die kritische Beurteilung solcher Einschätzungen zu erleichtern und die Kommunikation dieser Information zu verbessern.
Um mehr über den GRADE Ansatz zu erfahren, lesen Sie bitte die FAQs oder die Publikationen über GRADE.

Kriterien zur Verwendung von GRADE

Seit den 1970er Jahren verwendete eine wachsende Anzahl von Organisationen verschiedene Systeme, um die Qualität der Evidenz und die Stärke von Empfehlungen zu bewerten. Unglücklicherweise wurden verschiedene Systeme von verschiedenen Organisationen benutzt. Die gleiche Evidenz konnte also je nach System z.B. als „II-2, B“, „C+, 1“ oder „starke Evidenz, starke Empfehlung“ eingestuft werden. Dies ist verwirrend und erschwert effektive Kommunikation.
Ein Ziel der GRADE Working Group besteht darin, unnötige Verwirrung aufgrund verschiedener Systeme zur Bewertung der Qualität der Evidenz und Stärke von Empfehlungen zu vermeiden. Daher schlagen wir vor, dass die unten stehenden Kriterien erfüllt sein sollten, wenn angegeben wird, dass GRADE genutzt wurde. Auch wenn es von verschiedenen Gruppen immer wieder Vorschläge gab und gibt, das GRADE System zu modifizieren, raten wir von der Nutzung „modifizierter GRADE Systeme“, die sich erheblich von dem publizierten GRADE Ansatz unterscheiden, ab.

Vorschlag für Minimal-Kriterien für die Angabe, dass das GRADE System genutzt wurde:

  1. „Qualität der Evidenz“ sollte konsistent durch eine der beiden Definitionen (für Leitlinien oder systematische Reviews), die von der GRADE Working Group genutzt werden, definiert sein.
  2. Explizite Überlegungen sollten zu jedem GRADE Kriterium zur Bewertung der Qualität der Evidenz erfolgen (Risiko für Bias/Studienlimitationen, Direktheit, Konsistenz der Ergebnisse, Präzision, Publikations-Bias, Effektstärke, Dosis-Wirkungs-Beziehung, Einfluss der residuellen und plausiblen Störgrößen (Confoundern) und „Antagonistic Bias“, auch wenn eine andere Terminologie genutzt wird.
  3. Die Gesamtqualität jedes wichtigen Endpunktes sollte in vier (z.B. hoch, moderat, niedrig, sehr niedrig) oder, wenn nötig, drei Kategorien (z.B. hoch, moderat und sehr niedrig und niedrig kombiniert zu niedrig) eingestuft werden, deren Definitionen mit den Definitionen der GRADE Working Group übereinstimmen.
  4. Zusammenfassungen der Evidenz (narrativ oder tabellarisch) sollten als Basis für Bewertungen der Qualität der Evidenz und der Stärke der Empfehlung genutzt werden. Idealerweise sollten vollständige Evidenzprofile, wie sie von der GRADE Working Group empfohlen werden, genutzt werden. Mindestens sollte die bewertete Evidenz und die Methoden, die angewandt wurden, um diese zu identifizieren und zu bewerten, klar beschrieben werden. Eine genaue, transparente Beschreibung der Gründe für eine Herab- oder Heraufstufung der Evidenz sollte vorhanden sein.
  5. Explizite Überlegungen für jedes GRADE Kriterium sollten für die Bewertung der Stärke einer Empfehlung aufgeführt werden (z.B. bezüglich Balance erwünschter und unerwünschter Folgen, Qualität der Evidenz, Wertevorstellungen und Präferenzen und Ressourcenverbrauch); auch sollte berichtet werden, wie und ob Kosten berücksichtigt, wessen Wertevorstellungen und Präferenzen berücksichtigt wurden etc.).
  6. Die Stärke der Empfehlung sollte in zwei Kategorien ausgedrückt werden (schwach/bedingt und stark), für oder gegen eine Behandlung sprechen und die Definition für jede Kategorie sollte konsistent mir der der GRADE Working Group sein. Es kann auch eine andere Terminologie genutzt werden, um schwache/bedingte Empfehlungen auszudrücken, ihre Interpretation und Implikationen sollten jedoch beibehalten werden.
  7. Entscheidungen über die Stärke der Empfehlungen sollten transparent berichtet werden.